Das Erkennen von Schmerzen beim Pferd ist noch immer eine Herausforderung. Leider werden viele Verhaltensweisen des Pferdes, die eigentlich Anzeichen von Schmerzen sind, fehlinterpretiert. Weil diese Anzeichen alltäglich vorkommen, haben wir uns an diese Muster gewöhnt und allzu häufig als Widersetzlichkeit abgestempelt.

Vor kurzer Zeit hat Sue Dyson, eine weltbekannte Spezialistin auf dem Gebiet der Pferdeorthopädin eine Liste von Verhaltensweisen zusammengestellt, die zur Erkennung von Schmerzen beim Reiten dienen soll. In diesem Artikel möchte ich Dir ihr Projekt vorstellen und kurz auf die Punkte der Liste eingehen.
Lahmheiten beim Pferd erkennen
Das Erkennen von subtilen Lahmheiten beim Pferd ist eine Herausforderung, die auch für geübte Augen schwierig sein kann. Während es recht einfach ist, eine deutliche Schulterhandlahmheit zu erkennen, kann es bei einer versteckten Hinterhandlahmheit schon anspruchsvoller werden.
Das große Problem ist: nicht alle orthopädischen Schmerzen äußern sich als identifizierbare Lahmheit des Pferdes. Doch jede Lahmheit ist Ausdruck von Schmerz!
Sind mehrere Gliedmaßen betroffen, lahmen viele Pferde nicht im klassischen Sinne. Dann eine Lahmheit ist eine Veränderung des Bewegungsablaufes, um eine bestimmte Gliedmaße zu schonen. Sind mehrere Beine betroffen, kommt es eher zu anderen Veränderungen im Verhalten und Bewegungsablaufs, die wir weiter unten besprechen wollen.
Lies hiezu auch: Dein Pferd läuft steif und langsam – Was kann die Ursache sein?
Neue Liste mit Anzeichen von Lahmheiten beim Pferd
Diese Liste wurde von Sue Dyson und ihren Mitarbeitern entwickelt, um Reitern und Tierärzten ein Werkzeug an die Hand zu geben, orthopädische Schmerzen und versteckte Lahmheiten beim Pferd besser zu erkennen.

Häufig haben Reiter das Gefühl, dass irgendetwas mit ihrem Pferd nicht stimmt, ohne eine klare Ursache hierfür ausfindig machen zu können. An diesem Punkt kommt die Liste ins Spiel, anhand derer man sich ein klareres Bild von der Situation machen kann.
Zum Gebrauch der Liste:
- Das Pferd sollte wie üblich gesattelt und aufgewärmt werden.
- Danach erfolgt eine Beurteilung in allen 3 Gangarten.
- Das Pferd wird auf beiden Händen beurteilt, wobei auch Volten im Trab geritten werden sollten.
- Eine Beurteilung von beiden Seiten und von hinten sollte erfolgen.
- Das Pferd wird auf dem Level gearbeitet, das normalerweise von ihm verlangt wird.
- Der Beurteilungszeitraum beträgt 5 bis 10 Minuten.
24 Anzeichen für Schmerzen und Lahmheit beim Pferd
- Wiederholte Veränderungen in der Kopfposition (nach oben oder unten), nicht im regulären Trabrhythmus.
- Verwefen des Kopfes dauerhaft oder wiederholt.
- Kopf vor der Senkrechten (> 30°) für mehr als 10 Sekunden.
- Kopf hinter der Senkrechten (> 10°) für mehr als 10 Sekunden.
- Die Kopfposition wird von Pferd ständig verändert, Kopfwerfen oder Drehen zu beiden Seiten.
- Drehen eines oder beider Ohren nach hinten für länger als 5 Sekunden.
- Schließen der Augen (halb oder ganz) für 2 bis 5 Sekunden, häufiges Blinzeln.
- Das Weiße im Auge ist wiederholt sichtbar.
- Starrer Blick für länger als 5 Sekunden.
- Häufiges Öffnen und Schließen der Maulspalte mit geöffnetem Kiefer für mehr als 10 Sekunden.
- Zeigen, Heraus hängenlassen oder Spielen mit der Zunge.
- Das Gebiss ist wiederholt zu einer Seite durch die Maulspalte gezogen.
- Einklemmen des Schweifes, oder wird auf einer Seite getragen.
- Schweifschlagen, wiederholt und bei Übergängen.
- Kurze Tritte im Trab, häufiges Ändern der Geschwindigkeit, Taktfehler.
- Tritte im Trab sehr langsam (wie bei Passage).
- Hinterhand folgt nicht der Spur des Vorderhand (Laufen auf 3 Hufschlägen).
- Umspringen im Galopp und falsches Anspringen, wiederholt.
- Spontane Wechsel der Gangart (Durchparieren oder Angaloppieren)
- Stolpern in der Vorderhand oder Zehenschleifen in der Hinterhand.
- Plötzliche Richtungswechsel ohne Anweisung des Reiters, häufiges Scheuen.
- “Triebigkeit”, Pferd muss durch verbale Kommandos angetrieben werden, hält spontan an.
- Steigen
- Buckeln oder Ausschlagen nach hinten.
In dieser Veröffentlichung findest Du auch noch ein paar Bilder zur Veranschaulichung der Symptome.
Tipp: An dieser Stelle könnte auch die Liste für Anzeichen von Rückenschmerzen interessant für Dich sein!
Interpretation der Ergebnisse
Während des oben beschriebenen Untersuchungszeitraums wird das Pferd genau beobachtet und das Auftreten von jedem der 24 Anzeichen dokumentiert. Nachdem dann die Merkmale gezählt wurden, kann man sich ein genaueres Bild darüber machen, wie wohl sich ein Pferd bei der Arbeit fühlt.
- Pferde, die 8 oder mehr der oben aufgeführten Anzeichen zeigen, sind sehr wahrscheinlich lahm oder leiden an nennenswerten orthopädischen Schmerzen.
- Die meisten Pferde, mit weniger als 4 der genannten Parameter, sind lahmfrei und gesund.
- Pferde mit nachgewiesenen orthopädischen Beschwerden zeigen im Durchschnitt 9 der Anzeichen.
Tipp: Um sich eine genaue Vorstellung über die Anwendung der Liste mit den 24 Anzeichen für Lahmheit beim Pferd machen zu können, empfehle ich jedem das Video unten anzuschauen. Es zeigt eindrucksvoll, welche Bedeutung die genaue Beobachtung und Wahrnehmung gewisser Zeichen beim Pferd haben kann.
Was soll ich tun, wenn mein Pferd Zeichen von Schmerz zeigt?
Erkennst Du einige der oben beschrieben Verhaltensweisen bei Deinem Pferd wieder? Dann ist es mit Sicherheit sinnvoll, tierärztlichen Rat einzuholen. Denn wie in dem Video gezeigt wird, gehen nicht alle orthopädischen Probleme mit einer eindeutigen Lahmheit einher.
Ganz im Gegenteil: Viele Pferde versuchen es so lange wie möglich zu vermeiden, der Umwelt preiszugeben, dass sie Schmerzen haben. Dies ist eine jahrhundertealte Überlebensstrategie.
Nur eine systematische Aufarbeitung der Ursache für den Schmerz kann helfen, eine zielführende Therapie für Dein Pferd auszuwählen und eine Prognose für die zukünftige Leistungsfähigkeit zu stellen.
Präparate, die auf natürliche Weise schmerzlindernd wirken:
Das passende Team ist entscheidend für den Erfolg
Um ein Pferd mit orthopädischen Schmerzen wieder fit zu bekommen, sind zwei Dinge wichtig. Erstens, ein gut abgespieltes Team von Experten und Dein eigenes Wissen, wie Du Dein Pferd optimal betreuen und trainieren kannst, ohne weiteren Schaden anzurichten.
So könnten Dein Team aussehen:
- Tierarzt
- Schmied
- Sattler
- Physiotherapeut
- Chiropraktor /Akupunkteur
In den meisten Fällen werden zu Rehabilitation orthopädischer Patienten auch Anpassungen des Beschlags und am Sattel notwendig. Es ist immer wieder erstaunlich, welchen Unterschied alleine das Anpassen des Sattels in einigen Fällen haben kann.
Durch Chiropraktik und Akupunktur wird eine natürliche Schmerzbehandlung erreicht und die Heilung kann stimuliert werden. Zusätzlich werden Blockaden gelöst und Kompensationsmuster aufgebrochen. Auf diese Weise wird die Rückkehr zum physiologische Bewegungsablauf unterstützt.
Bilde Dich selber fort!
Wir haben alle gelernt, gesunde Pferde zu reiten. Doch kaum jemand hat gelernt, Pferde zu reiten, die sich in einer Rehabilitationsphase befinden.
Mir persönlich haben die folgenden Bücher sehr geholfen, ein umfassendes Verständnis dafür zu entwickeln, wie man Pferde gezielt und schonend trainieren kann.
Neben der reiterlichen Ausbildung gibt es natürlich noch einiges mehr, was Du tun kannst, um Dein Pferd wieder zu alter Stärke zu führen. Außerdem können einige Pferde aufgrund einer längeren Rehaphase gar nicht geritten werden.
Für diesen Fall möchte ich Dir den Onlinekurs zu Lockerungsübungen* beim Pferd ans Herz legen. In diesem Kurs zeigt Dir Hero, wie Du Dein Pferd ganz einfach und locker vom Boden aus trainieren kannst und nebenbei den Bewegungsapparat aufbaust und günstig beeinflusst.

Zusammenfassung
Schmerzen beim Pferd sind nicht immer leicht erkennbar. Allzu häufig verbergen Pferde, dass sie an schmerzhaften Prozessen des Bewegungsapparates leiden, oder wir stempeln ihre Schmerzäußerungen als Unsitte oder Widersetzlichkeit ab.
Frühe Warnzeichen sollten daher ernst genommen werden, um ein geeignetes Therapieprogramm einzuleiten, um die Gesundheit des Pferdes langfristig nicht zu gefährden.